23 Januar 2014

Asilah in Afrika

Granada war uns zu kalt. Morgens kratzen Fahrer die Autoscheiben frei von Eis. Die Mädchen, erzählt Mima, saßen in der Alhambra auf dem Spülbecken, um sich die Füße im Föhn für die Hände zu wärmen. So entfliehen wir der Kälte und fahren ans Meer.



170 Kilometer weiter südwestlich sind wir am Meer, südlich von Malaga und 13 Kilometer vor Marbella. Der Campingplatz ist bis auf wenige freie Plätze gefüllt. Gefühlte fünftausend Rentner überwintern dort. Neben einem italienischen und einem indischen Restaurant versorgt eine "deutsche Würstchenbude" die Massen.


Meistens, fast immer, sind es Engländer, die mit Allrad-Zugmaschinen einen Sattelschlepper als Wohnung ziehen. Man sieht diese Gefährte fast nie auf der Bahn. Vermutlich bewegen die Besitzer ihre gigantischen Wohn-Auflieger im Herbst an irgendeinen Sonnenplatz, den sie erst im Frühling wieder verlassen. Das Luxusmodell im Bild verfügt zudem über drei seitliche Auszieh-Räume. Zwei Dach-Klimaanlagen kühlen den hitzeempfindlichen Briten.


Im Bild parkt das britische Zugfahrzeug vor dem Sattelauflieger. Den Wohnraum schmückt die Flagge.


In der Allrad getriebenen Nissan-Zugmaschine sieht man den Auflagebock für den Sattelaufleger dahinter.


Auch dieser britische Fahrensmann zieht einen weiteren Wohnbereich aus der Flanke seines Gefährts. Ein Motorroller vervollständigt sein Urlaubsgepäck. Die beiden Fahrräder hängen verschnürt an der Leiter, die auf das Dach führt.


Trotz meiner schaudernder Scheu doch dank Mimas zärtlichem Zureden haben wir uns für einen Tag zwischen den Plastikschüsseln mit unserer rollenden Tupperware eingereiht. Erstmalig stellen wir bei 29 Grad in der Sonne die Campingmöbel auf. Der Pool im Vordergrund ist leider vom 11.11. bis 1.4. geschlossen.


Der Turm stammt aus dem Jahr 1492. Auf seiner Spitze zündeten die Araber einst ein Leuchtfeuer an, um ihren Landsleuten den Seeweg ins besetzte Land zu zeigen. Heute schmücken luxuriöse Wohnkomplexe nahe beim Strand den Urlaubsort. Das Meer plätschert nur wenige Minuten Fußweg entfernt vom Campingplatz. Zuvor überquert man über eine Brücke die rauschende Stadtautobahn.


Die Urlauber sind leicht als Landsleute auszumachen, weil sie ihre Hunde muttersprachlich anreden, als wären diese ihre Kinder. Die meisten Menschen gern und viel. Überwinternde Rentner haben alle Zeit, um ihre Stories zu erzählen. So verraten gleich mehrere Urlauber, dass sie die letzten Monate auf diesem wunderbaren Rentner-Refugium verbracht haben. Die Langzeit-Touristen bekommen auf die 23 Euro tägliche Platzmiete eine Ermäßigung von 40 Prozent.


Lern- und wißbegierigen Grauköpfen bieten die Betreiber des Platzes zweimal in der Woche Spanisch Unterricht an. Sonntags zeigt der Dienstplan Yoga-Übungen an. Auch Bogenschießen und Pfeilwurf halten die Gäste beschäftigt und bei Laune.


Die Solarkollektoren heizen das Wasser im Schwimmbad, das einem Gewächshaus gleicht. Mima studiert am Aushang an der Holzwand der Sauna deren Öffnungszeiten und Preise: Drei Euro für 45 Minuten. Etwas beschämt und bedrückt micht an diesem riesigen Rentner-Refugium. Doch wer über den Platz berichten will, muss sich dort umsehen.

Gleich am Morgen geht dann am Ende der zweiten Reisewoche das Schiff nach Tanger. Unsere letzte warme, komfortable Dusche mit europäischen Standard werden wir nicht so schnell vergessen.

Marokko

Die 70 Kilometer von Marbella bis Algeciras sind schnell zu fahren. Als uns auf der meist vierspurigen Schnellstraße an der Küste ein Kreisverkehr nach dem andern nervt und aufhält, weichen wir auf die Autobahn aus. Die Investition von 95 Cents Maut lohnt sich. So flitzen wir die letzten 30 Kilometer ruhiger nach Algeciras. Wie schon vor zwei Jahren, am 19. Januar 2012, kaufen wir die Schiffsfahrkarten bei der Agencia de Viajes Normandie. Statt 188  Euro kostet mittlerweile die Überfahrt 200 Euro - allerdings für zwei Personen. Die Koordinaten zu dem Dienstleister zeigt das Navi mit N 36° 10' 46,5'' und W 005°, 26'28.9'' an.


Das Reisebüro zu finden, dann sich zum Hafen durchzuschlagen und sich in die Schlange zum Beladen der Fähre einzureihen, all das ist Stress. Rückwärts bugsiert eine Zugmaschine einen Container-Schleppzug in das Schiff.


Bis der Einweiser uns an einen Platz hinter dem Sattelschlepper busiert hat, war es nötig, meinen Wagen etwa zwanzigmal auf engstem Raum vor und zurück zu rangieren.


Doch dann endlich schaukelt uns das Fährschiff über das Meer unter dem Regen schweren, grauen Himmel. 970 Menschen darf das Schiff befördern. Doch höchstens 50 fahren mit. Mein Blick wendet sich nordwärts nach Gibraltar. In weniger als einer Stunde haben wir die Meerenge passiert.


Die Schriftzeichen an der Bergwand verraten, dass wir gleichsam in einer "anderen Welt" landen. Die Grenzformalitäten waren schneller erledigt als vor zwei Jahren. Da wir mit dem Boot schon schon um 11.00 Uhr von Spanien abfuhren, konnten wir uns in alle Ruhe an Marokko gewöhnen. Die landesübliche Dirham-Devisen melkt meine Scheckkarte aus dem Automaten. Die erste Autobahntankstelle verkauft den Diesel zu etwa zwei Drittel des Preises in Europa. Empfehlenswert ist die geruhsame Autobahnfahrt um den Menschenmassen-Kessel Tanger herum. Ein kurzes Stück der luxuriösen Piste kosten zwar 4,60 Euro, doch als ersten Eindruck vom Land erspare man sich geflissentlich den Stadtverkehr in Tanger. So erreichen wir entspannt den Campingplatz bei den "Grotten des Herkules".

Der Unterschied zwischen Europa und Afrika ist krass. Mit kaltem Wassen wollen wir nicht duschen. Dafür kostet die Nacht nicht 23 Euro wie in Spanien, sondern 9,50 Euro. Den schattigen Platz mit Regenpfützen auf dem Lehmboden bevölkern nicht Hunderte in ihren aufgeblasenen Plastikbombern. Das Gelände teilen wir gerade einmal mit einem englischen Ehepaar und einem französischen Paar im Wohnwagengespann.


Der lehmige Grund ist aufgeweicht. Vor unserer Ankunft in Tanger wie auch später in der Nacht sättigt starker Regen die ausgedörrte Vegetation. Teilweise stehen die Pfützen noch 10 Zentimeter tief in Bodensenken, welche die Autoräder als lehmige Brühe zur Seite spritzen.


In Millionen von Jahren haben Atlantik-Wellen die "Grotten des Herkules" aus dem harten Gestein gefeilt. Der Platz bei Tanger liegt auf N 35° 45' 35.2'' W 005°, 56' 12.9'' gleich nebem dem Campingplatz.


Glücklich grinst der Autor als Grotten-Gnom in der Herkules-Grotte. Glücklich genießen wir es, dass wir am Ende der zweiten Reisewoche an diesen wunderbaren Platz gekommen sind.


Hier schweift der Blick über das Ufer von der Herkules-Grotte nördlich in Richtung Tanger.


Was die Gäste übrig lassen, verzehren die Katzen. Auch dies kennzeichnet krass den Unterschied zum Rentner-Refugium vor Marbella. Dort war es bei Strafandrohung von 50 Euro verboten, die frei laufenden Katzen zu füttern. Spenden, um feste Futterplätze mit Katzennahrung aufzufüllen, dürfen Tierfreunde am Empfang abgeben.


An den sanitären Komfort, wie hier an der Gastronomie über der Herkules-Grotte, muss sich der Tourist gewöhnen. Doch bei bescheidenen Ansprüchen genügt das kunstvolle Arrangement vollkommen: Unter dem Spiegel fließt aus dem oberen Kanister das wertvolle Wasser nach Öffnen des Hahns in das Handwaschbecken, von dort in den Abwasserkanister. Dass dann vom Abwasserkanister das Wasser wieder in den Frischwasserkanister umgefüllt wird, ist eine böswillige Unterstellung.

Es ist so warm in der Nacht, dass wir uns die Stromversorgung für 3,50 Euro sparen. Die Spar-LEDs und die wenigen Watt für den Laptop versorgen die beiden Bordbatterien. Der Kühlschrank arbeitet dann mit Gas. Die Nacht unterhält uns eine Sinfonie von Regentropfen. Das ist gut, um den ätzenden Vogelmist vom Campingplatz Marbella von unserer prima Plaste-Tonne aufzulösen und abzuwaschen.

Der köstliche Rotwein aus Spanien lässt mich über die Verhältnisse sinnieren in Marokko, wo wir mit unseren Devisen bei landesüblichen Löhnen uns weitaus mehr leisten können als in Deutschland, Frankreich oder Spanien.



Unser erster Abend in Marokko: Die Kamele werden gegen Sonnenuntergang heim getrieben. Wir haben eine Stunde gewonnen, müssen also unsere Uhren eine Stunde zurück stellen.


Da wir Null Bock auf Straßen-Stress haben, genießen wir 30 Kilometer Autobahn für 1,50 Euro bis Asilah. Der Großraumkombi mit spanischer Zulassung schleppt aus Europa nach Marokko, was immer in das und auf das Auto geht.


Die Köchinnen in der Autobahnraststätte bereiten schon morgens die Tajine vor. In den Tonbehältern schmoren lange Zeit die Köstlichkeiten für das Mittagsmahl.


In aller Frühe beziehen wir schon unseren Stellplatz in Asilah für drei Euro. Wir blicken auf das Meer und genießen vom Auto aus unseren ersten Sonnenuntergang. Die Koordinaten lauten: N 35 28.19 und W 06 01.96. Wir sind gleich auf den ersten Platzanweiser hineingefallen. 500 Meter in Richtung Stadt liegt am Hafen ein besserer Platz, der sogar Toiletten aufweist.


Asilah weist, was selten in Marokko zu sehen ist, eine Kirche auf, deren Türme rechts wie links Kreuze schmücken.


Nachdem mir der Winter 2012 schon drei Monate Erfahrung in Marokko schenkte, war mir beim Anblick des Tors sofort klar, dass dahinter der Markt liegt. Die Preise für Oliven, Brot, Rosinen, Couscous, Obst und Gemüse sind um ein Vielfaches niedriger als daheim. Dass der Diesel für unter einem Euro zu haben ist, entlastet ebenso die Reisekasse.


Mir wäre der Busch nicht weiter aufgefallen. Doch Mima macht mich als gelernte Gärtnerin darauf aufmerksam, dass sie zum ersten Mal einen blühenden Weihnachtstern in dieser Größe sieht.

 
Das ist das Gebäude von Maroc Telecom in Asilah. Mehrere Wohnmobilisten stehen dort an, um sich SIM-Karten für Telefon oder Internet zu besorgen. Dort verkauft mir ein kundiger Beamter eine SIM-Karte für meinen Internet-USB-Stick, den ich von der letzten Fahrt 2012 mitgenommen hatte. Erstmalig erfahre ich, dass für 100 Dirham, also für 10 Euro, es möglich ist, einen weiteren Monat Flat-Rate auf den Stick zu buchen. Maroc Telecom erlaubt einen täglichen Datenverkehr von 400 MByte, danach reduziert der Dienst die Übertragungsrate. Für meinen Blog-Bericht ist diese Grenze vollkommen ausreichend. Denn bei der Bildbreite von meist nur 600 Pixeln ist kaum ein Bild größer als 50 KByte.
 
 
Der Bericht hat bislang 6,16 MByte über die Leitung geschickt. 18,85 MByte hat Maroc Telecom mir gesendet. Bis zum 400 MByte-Limit ist also noch endlos Zeit, solange man sich keinen Krimi aus der ARD-Mediathek saugt.


In der rosa Kutsche lässt sich ein junges Paar in romantische Gefilde fahren.


Mehr martialisch hingegen wendet der Militärtruck auf der Hauptstraße, um mit brummendem Diesel und rauchender Dieselfahne zu entschwinden.


Auch ein Allrad-LKW-Laster, der Königsklasse für Wüstenfahrten, hat es sich in Asilah bequem eingerichtet. Doch diese Fahrzeuge sind für mich nervlich wie finanziell nicht zu stemmen.


Doch auch die von der Sekte der Allrad-LKW-Fahrer verspotteten "Tupperware-" oder "Yogurth-Becher"-Wohnmobile finden in Asilah einen beschaulichen Stellplatz mit Meeresblick.

 
Das schmucke Städtchen Asilah haben die Portugiesen gegründet und erbaut. Wie alle Stützpunkte in Übersee ist auch diese als militärische Festung konzipiert.
 
 
Den blauen Himmel in Asilah trübt nach Regen reicher Nacht in Tanger kein Wölkchen mehr.


Die psychodelische Atmosphäre von Asilah spiegelt sich in der Gestaltung der Hauswände.


Der Stadtspaziergang durch Asilah eröffnet erhebende Eindrücke von der verwinkelten Altstadt-Architektur.


Der alte Mann auf dem Wandbild beeindruckt mit Bart und Blick.


Die starke Sonneneinstrahlung lässt sich auch an den scharf gezeichneten Schatten des Fotografen ermessen. Sonne und Meereswind sind für Neuankömmlinge eine starke Belastung, die am Abend schon zu leichteren Kopfweh führt.


Wo einst portugiesische Soldaten auf der Burgmauer wachten, fotografieren sich heute junge Damen mit ihren Smartphones.


Bei meiner diesjährigen Winterreise sollen mich keine polit-klügelnden Gedanken beschweren. Statt der Süddeutschen Zeitung in München mühen sich meine verbliebenen Französich-Kenntnis durch die staatstragende Zeitung "Le Matin". Dass "Seine Majestät der König Mohammed VI, den Gott segne" Marokko mit mehr Weitsicht und Stabilität leitet, ist nach den traurigen Resultaten des "arabischen Frühlings" vor drei Jahren nun ersichtlich.

 
Was jedenfalls die Zeitung aus dem islamischen Malaysia berichtet, scheint mir hier in Marokko so nicht möglich zu sein. Dagegen scheint mir Marokko doch sehr viel weltoffener und toleranter zu sein, auch wenn hier das Schwein selbstverständlich "unrein" ist und somit nicht auf keinem Speiseplan zu finden sein dürfte.
 
 
 

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

Hallo Du Suchender,

schön, dass ich Deine aktuellen Reiseberichte lesen kann. Allerdings befinde ich mich da noch auf Aufholjagd, weil ich mich durch die Jahre zuvor "ackere".
Immerhin bin ich mit Deinen Indien-Geschichten komplett durch.
Das Alter hat Dir anscheinend etwas von Deinem Egoismus gestohlen. Vielleicht besser gesagt: Das "natürliche älter werden" macht aus Träumen eine Realität, die Dir nicht mehr so wie früher mal gefällt.

Egal.... das sind nur so meine Gedanken zu dem, was ich bisher von Dir gelesen habe.

Buddha hin oder her, seit Weihnachten 2013 verfolge ich Deine Blog-Einträge fast so wie Spon Tag für Tag...

Lass es Dir gut gehn!